Einstufung Pflegegrad
Wer erstmals einen Antrag auf einen Pflegegrad bei seiner Pflegekasse stellt, wird nach einem Prüfverfahren persönlich begutachtet. Dabei ermitteln Gutachter des MD (Medizinischer Dienst, früher: MDK) bei gesetzlich oder die MEDICPROOF GmbH bei privat Versicherten den Grad ihrer noch vorhandenen Selbstständigkeit und empfehlen ggf. einen Pflegegrad. Letztlich entscheidet die Pflegekasse des Antragstellers über die Genehmigung eines Pflegegrades und der damit verbundenen Pflegefinanzierung.
Bereiten Sie Ihre Pflegebegutachtung vor
Zur Vorbereitung auf Ihre Pflegebegutachtung kann es von Vorteil sein, Ihren täglichen Pflege- und Betreuungsaufwand für Ihren pflegebedürftigen Angehörigen zu dokumentieren. Dazu eignet sich ein Pflegetagebuch. Dabei handelt es sich um eine hilfreiche Dokumentationsvorlage, in der Sie die derzeitige Pflegesituation Ihres Angehörigen festhalten. So können Sie den Pflegebedarf begründen und gegebenenfalls Ihre Chancen auf einen fairen Pflegegrad erhöhen.
Pflegebegutachtung: Medizinischer Dienst oder MEDICPROOF
Gutachter, die von den Pflegekassen beauftragt werden, kommen in der Regel vom Medizinischen Dienst (sogenannter MD, bei gesetzlich Versicherten) oder MEDICPROOF (bei privat Versicherten). Im Zuhause des Antragstellers erfassen sie alle wichtigen Gesichtspunkte der Pflegebedürftigkeit aufgrund körperlicher, psychischer und kognitiver Beeinträchtigungen. Ausschlaggebend für die Einstufung in einen Pflegegrad ist im Pflegegutachten der Grad der Selbstständigkeit sowie der vorhandenen Fähigkeiten einer Person in sechs Modulen.
1. Mobilität: Wie selbstständig bewegt sich der Begutachtete fort und kann seine Körperhaltung ändern?
2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kann sich der Antragsteller in einem Alltag noch örtlich und zeitlich orientieren? Kann er für sich selbst Entscheidungen treffen, noch Gespräche führen und seine Bedürfnisse mitteilen?
3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Wie oft benötigt der Betroffene Hilfe wegen psychischer Probleme wie aggressivem oder ängstlichen Verhalten?
4. Selbstversorgung: Wie selbstständig kann sich der Begutachtete noch täglich selbst waschen und pflegen?
5. Bewältigung und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: Welche Hilfen benötigt der Antragsteller beim Umgang mit Krankheit und Behandlungen wie z. B. bei Dialyse oder Verbandswechsel?
6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Wie selbstständig kann der Begutachtete noch seinen Tagesablauf planen oder Kontakte pflegen?
Genau genommen gibt es neben den sechs beschriebenen Modulen noch zwei weitere Pflegegrad-Module: Außerhäusliche Aktivitäten (7) und Haushaltsführung (8). Diese beiden Module werden jedoch nicht für die Einstufung der Pflegebedürftigkeit herangezogen, sondern sollen v. a. Pflegekräften eine individuellere Pflegeplanung ermöglichen.
Widerspruch gegen den Pflegegrad-Bescheid
Wenn Sie nach der Begutachtung von der Krankenkasse einen Bescheid bekommen, mit dem Sie nicht einverstanden sind, können Sie Widerspruch gegen den Pflegegrad oder dessen Ablehnung einlegen.
Pflegegrad-Punkte im Überblick
Im Rahmen der Pflegebegutachtung werden je nach Intensität bzw. Häufigkeit der notwendigen Unterstützung entsprechende Punkte vergeben, addiert und so der Pflegegrad bestimmt. Je höher die Punktzahl, desto größer der Hilfsbedarf des Pflegebedürftigen und umso umfangreicher die Pflege- und Betreuungsleistungen.
Die folgende Tabelle gibt Ihnen eine Übersicht über das Punktesystem zur Pflegegrad-Einteilung (s. Quelle 1):
Grad der Selbstständigkeit |
Punktezahl |
Pflegegrad |
Geringe Beeinträchtigung
der Selbstständigkeit |
12,5 bis unter 27 |
1 |
Erhebliche Beeinträchtigung
der Selbstständigkeit |
27 bis unter 47,5 |
2 |
Schwere Beeinträchtigung
der Selbstständigkeit |
47,5 bis unter 70 |
3 |
Schwerste Beeinträchtigung
der Selbstständigkeit |
70 bis unter 90 |
4 |
Schwerste Beeinträchtigung
der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung |
90 bis 100 |
5 |
Pflegegrad 5 trotz nicht erreichter Mindestzahl
Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen „spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die Pflegeversorgung“ haben, können Pflegegrad 5 erhalten, auch wenn sie die dafür notwendige Mindestzahl von 90 Punkten bei der Begutachtung nicht erreicht haben.
Pflegegrad bei Krankheiten und körperlichen Einschränkungen
Pflegegrade stehen nicht nur Menschen im hohen Alter zu. Hier sind beispielhaft Krankheiten und körperliche Einschränkungen sowie Patientengruppen, bei denen je nach Schwere der Einschränkung eine Genehmigung für einen Pflegegrad möglich sein kann:
Pflegegrade im Kindesalter
Einen Pflegegrad können auch pflegebedürftige Kinder bekommen. Generell gelten hier dieselben Gegebenheiten wie bei Erwachsenen – jedoch gibt es ein paar Besonderheiten:
Kinder unter 18 Monaten: Säuglingen und Kleinkindern unter 18 Monaten wird eine natürliche Pflegebedürftigkeit vorausgesetzt, da auch gesunde Kinder in dem Alter eine Rund-um-Versorgung durch die Eltern benötigen. Deshalb werden Sie bei der Pflegebegutachtung immer einen Pflegegrad höher eingestuft.
Kinder unter elf Jahren: Bei der Pflegebegutachtung gelten bei Kindern unter elf Jahren andere Kriterien als bei Erwachsenen. Da sich bei Kindern mit den Jahren erst viele Fähigkeiten und auch die Selbstständigkeit entwickeln, wird der Grad der Pflegebedürftigkeit bei Kindern durch den Vergleich mit altersgerecht entwickelten Kindern festgestellt.
Pflegegrad bei Demenz
Die Demenz beschreibt eine oftmals schleichend voranschreitende Degeneration des Gehirns. Die Erkrankung hat Defizite im kognitiven, emotionalen und sozialen Bereich zur Folge.
Seit der Pflegereform im Jahr 2017 werden kognitive und psychische Beeinträchtigungen ebenfalls in die Beurteilung über den Grad der Pflegebedürftigkeit einbezogen. Zuvor hatten nur Antragsteller mit körperlichen Defiziten von den Leistungen der Pflegeversicherung profitiert. Demenzerkrankte, die sich grundsätzlich noch selbst versorgen konnten, fielen aus dem Raster und erhielten bis 2017 keine Pflegestufe oder Pflegestufe 0.
Mit Einführung der Pflegegrade gilt: Menschen, die vor 2017 noch in Pflegestufe 0 eingeteilt waren, erhielten mit Inkrafttreten des PSG II Pflegegrad 2 (s. Quelle 3). Anstelle des täglichen Pflegeaufwandes, gemessen in Minuten, erfolgt die Einstufung in einen Pflegegrad heute anhand des tatsächlichen Pflegebedarfs.
Demenzpatienten haben je nach Beeinträchtigung damit sowohl Anrecht auf Pflegegeld als auch auf Sachleistungen von der Pflegekasse. Zudem erhalten sie auch bei Umbaumaßnahmen Zuschüsse.